Starker F4-Tornado in Tschechien am 24. Juni 2021
Vom 21. bis zum 25. Juni kam es an der Alpennordseite zu einer ausgeprägten Unwetterserie, in Summe wurden in diesem Zeitraum 240.000 Blitzentladungen erfasst, davon allein 121.000 in Oberösterreich und 58.000 in Niederösterreich. Einen Rückblick dazu gibt es hier. Den Höhepunkt der Unwetterlage wurde am Nachmittag und Abend des 24. Junis erreicht, als es besonders in Niederösterreich zu mehreren Superzellengewittern mit großem bis sehr großem Hagel kam. An diesem Tag wurde sogar ein neuer österreichischer Hagelrekord aufgestellt mit einem 14 cm großen Hagelkorn in Ziersdorf (Bez. Hollabrunn).
Direkt in Horn pic.twitter.com/Kg3ZY7hkI9
— CrazyDuckLady (@JutimaFamily) June 24, 2021
Eines dieser Gewitter führte zwischen 19:14 und 19:53 knapp hinter der Grenze zu Tschechien zu einem sehr starken F4-Tornado mit Windgeschwindigkeiten bis zu etwa 350 km/h.
Před rokem u nás udeřilo tornádo kategorie F4. Bylo součástí velmi silných konvektivních bouří nad územím Rakouska, ČR, Polska a Slovenska.
Podrobný popis situace je ke stažení zde: https://t.co/EpuYKsDn8B pic.twitter.com/U8LYQceQvN— Český hydrometeorologický ústav (ČHMÚ) (@CHMUCHMI) June 24, 2022
Der Tornado zog über die Ortschaften Hrušky, Moravská Nová Ves, Mikulčice, Lužice und Hodonín hinweg, wo es zu mitunter zu schwersten Schäden kam, etwa wurden Dächer abgedeckt und Hausmauern teilweise zerstört, Bäume und Strommasten umgerissen und sogar Autos herumgeschleudert. In Summe hatte dieses Ereignis 6 Todesoper und hunderte Verletzte zur Folge.
Tornados in Europa
In Europa kommt es durchschnittlich zu 300 bis 400, aufgrund der Dunkelziffer Schätzungen zufolge auch bis zu 500 Tornados pro Jahr. Die meisten davon sind nur schwach ausgeprägt und kurzlebig, zudem handelt es sich teilweise auch um Tornados über Wasser (Wasserhosen). Im Zeitraum von 2010 bis 2020 wurden vom ESSL zwei sehr starke Tornados der Stärke F4 oder F5 registriert bzw. 26 starke Tornados der Stärke F3. Starke oder sehr starke Tornados kommen in Europa also 2 bis 3 mal jährlich vor, allerdings kommt es nicht immer zu solch schweren Schäden, da die Tornados nicht immer auf Ortschaften treffen. Typische Regionen für starke Tornados in Europa sind die flachen Regionen von Nordwestfrankreich über Benelux bis nach Norddeutschland, Norditalien, die Küsten Süditaliens oder auch Südostrumänien.
YouTube Video
Moravská Nová Ves od @gabrielkuchta pre @enkocz pic.twitter.com/vt5R5ebQHg
— Eva Mospanova (@EvaMospan) June 25, 2021
Superzellengewitter
Starke Tornados entstehen im Zusammenhang mit sog. Superzellengewittern. Es handelt sich dabei um meist langlebige, kräftige und alleinstehende Gewitter, welche einen beständigen rotierenden Aufwind aufweisen (Mesozyklone). Superzellen entstehen bei ausgeprägter Windscherung: Bei einer starken vertikalen Windzunahme bilden sich nämlich quer zur Strömung horizontal liegende Luftwalzen. Der Aufwind eines entstehenden Gewitters saugt diese Luftwalze ein und kippt ihre Achse in die Senkrechte, wobei sich der Drehimpuls nach und nach auf den gesamten Aufwindbereich überträgt. Die Zufuhr feuchtwarmer Luft wird dabei durch den räumlich getrennten Abwindbereich, in dem der Niederschlag ausfällt, nicht gestört. Mehr zum Thema Einzel-, Multi- und Superzellen gibt es hier.
Tornados in Österreich
In Österreich treten durchschnittlich etwa 3 bis 4 Tornados pro Jahr auf, allerdings sind die meisten davon eher schwach ausgeprägt und kurzlebig. Meist stehen sie auch nicht in Zusammenhang mit Superzellengewittern, sondern entwickeln sich an lokalen Windkonvergenzen („Typ-II-Tornados“). Starke Tornados sind extrem selten, wobei das bislang bekannteste Ereignis der Tornado von Wiener Neustadt am 10. Juli 1916 war. Die Einschätzung der Stärke dieses Tornados liegt bei F4/T8, was Windgeschwindigkeiten um 350 km/h bedeutet. Vor wenigen Jahren kam es auch knapp südlich von Wien zu einem Tornado.
Catastrophic damage after violent #tornado hit
Hodonin in SE #CzechRepublic today at 1740 UTC. Environment was prime for significant severe storms.
Source: https://t.co/yw8oFCVXjv #StormHour #wxtwitter pic.twitter.com/I1nbh71A4L— Mateusz Taszarek ☈ (@MateuszTaszarek) June 24, 2021
Ob die Häufigkeit von Tornados sich im Zuge des Klimawandels ändert, kann man derzeit noch nicht abschätzen, u.a. da es keine langjährige homogene Messreihe gibt. Mittlerweile weiß man zwar, das beispielsweise Hitzewellen und Extremniederschlagsereignisse häufiger werden, allerdings ist für starke Tornados neben der schwülen, energiereichen Luft auch eine starke Windscherung in tiefen Luftschichten notwendig, was in Mitteleuropa im Sommerhalbjahr eher selten vorkommt. Damit ist derzeit keine nennenswerte Änderung bei der Anzahl an Tornados zu erwarten, wobei generell von Jahr zu Jahr größere Schwankungen zu erwarten sind.
Kostel a škola v Hruškách. Ulice pokryté trámy a cihlami. Zdroj:facebook #hodonin #hrusky #tornado pic.twitter.com/VhPIf8QI9T
— Martin Sekanina (@martinsekanina) June 24, 2021
Einen umfassenden Schadensbericht zum Tornado in Tschechien u.a. vom ESSL und CHMI gibt es hier.