Plötzliche Stratosphärenerwärmung: Kommt ein kalter März?
Der Polarwirbel
Der stratosphärische Polarwirbel ist ein großräumiges Höhentief über der Arktis, dass in jedem Winterhalbjahr in einer Höhe zwischen etwa 10 und 50 km entsteht. Der Polarwirbel ist gefüllt mit sehr kalter Luft, die in Höhen um 30 km häufig Werte um -85 Grad erreicht. Ein stark ausgeprägter Polarwirbel sorgt in den mittleren Breiten meist für mildes, westwinddominiertes Wetter, wie etwa im Winter 2021/22. Wenn der Polarwirbel aber von der Arktis verdrängt wird oder in mehrere Teile gespalten wird, steigen die Chancen auf Kaltluftausbrüche in den mittleren Breiten an.
Plötzliche Stratosphärenerwärmung
Etwa alle 2 bis 3 Jahre kommt es im Laufe des Winterhalbjahres zu einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung über der Arktis, wobei es in etwa 30 km Höhe innerhalb weniger Tage zu einem großflächigen Temperaturanstieg von mehr als 50 Grad kommt. Ursache dafür sind quasistationäre planetare Wellen des Jetstreams mit großer Amplitude: Diese können sich vertikal bis in die Stratosphäre ausbreiten, wo sie dann brechen und sich unter starker Wärmefreisetzung schließlich auflösen. Dieser Prozess geht entweder mit einer Verdrängung des Polarwirbels oder mit dessen Spaltung in zwei oder drei eigenständige Wirbel einher. Der stratosphärische Polarjet wird dabei vollständig unterbrochen. Per Definition spricht man von einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung, wenn der gemittelte West-Ost-Wind in einer Höhe von etwa 10 hPa (etwa 30 km) in 60° N von westliche auf östliche Richtung dreht. In manchen Fällen kann die Anomalie aus der Stratosphäre auch auf den Jetstream in der Troposphäre übergreifen, weshalb es dann mit einer Verzögerung von mehreren Wochen häufig zu einer negativen Phase der nordatlantischen Oszillation kommt (mehr dazu hier).
Erwärmung in Gange
Seit mehreren Tagen deuten die Wettermodelle auf eine plötzliche Stratosphärenerwärmung in diesen Tagen hin. Der Polarwirbel, der aktuell bereits etwas verlagert von seiner gewöhnlichen Position liegt, wird dabei weiter in Richtung Skandinavien bzw. Russland verdrängt. Dieser Prozess hat bereits begonnen und voraussichtlich am 15. Februar wird der gemittelte West-Ost-Wind in etwa 30 km Höhe in 60° N von westliche auf östliche Richtung drehen.
Auswirkungen
Ob und wie sich das auf das Wetter in Mitteleuropa auswirken wird, kann man derzeit noch nicht seriös prognostizieren. Etwaige Auswirkungen treten jedenfalls mit einer Verzögerung von mindestens zwei Wochen auf, können dann aber auch bis zu zwei Monate lang anhalten. Im Extremfall sind auch länger andauernde Kältephasen möglich, wie beispielsweise die Kältewellen im Februar sowie März 2018 (unter Meteorologen bzw. im englischen Sprachraum als „the Beast from the East“ bekannt). Solch eine dynamische Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre findet aber nicht immer statt, so hatte etwa eine plötzliche Stratosphärenerwärmung im Jänner 2019 kaum Auswirkungen auf unser Wetter.
3/ What does an SSW event mean for surface weather? 2 out of 3 SSWs have the typical surface response (a negative North Atlantic Oscillation), meaning cold / dry over northern Europe and Eurasia, while southern and western Europe can experience rainfall & storms. Fig: @DrAHButler pic.twitter.com/znCZoaWlFF
— Daniela Domeisen (@Domeisen_D) February 10, 2023
Kalter Vorfrühling?
Für den verbleibenden Februar sind noch keine Auswirkungen zu erwarten. Im März können die veränderten Strömungsverhältnisse in der Stratosphäre aber Einfluss auf die Tropopause und dem knapp darunter verlaufenden Jetstream haben. Dieser kann sich abschwächen bzw. stärker mäandrieren. Dadurch werden blockierende Wetterlagen wahrscheinlicher und kalte Polarluft kann weit nach Süden vorstoßen bzw. milde Luft auch weit nach Norden. Für Europa kann das eine Umkehr der Druckverhältnisse über dem Atlantik bedeuten, und tatsächlich sieht es ab Anfang März tendenziell nach einer negativen Phase der NAO aus. Zuletzt war dies in der ersten Hälfte des Dezembers 2022 der Fall. Die langfristigen Modellprognose für den März in Mitteleuropa sehen derzeit – wie üblich – zwar noch mild aus, nach derzeitigem Stand nimmt aber das Potential für Kaltlufteinbrüche im März zu. Der letzte zu kalte Monat in Österreich liegt übrigens schon mehrere Monate zurück (September 2022).