Weltraumwetter: Vom Sonnenwind zum Sonnensturm
Unter dem Begriff Weltraumwetter fasst man die Prozesse zusammen, die sich im erdnahen Weltraum abspielen und einen Einfluss auf die menschlichen Aktivitäten haben. Ähnlich wie beim klassischen Wetter sind auch für das Weltraumwetter Vorgänge auf der Sonne im Wesentlichen verantwortlich für das Geschehen. Besonders relevant ist der sog. Sonnenwind, der aufgrund des Erdmagnetfeldes größtenteils um die Erde abgelenkt wird. Sonnenstürme, die mit hoher Geschwindigkeit auf das Erdmagnetfeld treffen, stellen allerdings eine ernste Gefahr für die moderne Gesellschaft dar: Sonnenstürme erzeugen nicht nur eindrucksvolle Polarlichter, sondern können auch globale Navigationssatellitensysteme und Rundfunksignale erheblich stören.
Sonnenwind
Der Sonnenwind ist ein Strahl geladener Teilchen, wie etwa Wasserstoffionen und Alphateilchen (Heliumionen), der stets von der Sonne in alle Richtungen abströmt. Aufgrund der Sonnenrotation bildet er spiralig gekrümmte Kurven, ähnlich wie der Wasserstrahl eines Sprinklers. Die Dichte und die Geschwindigkeit des Sonnenwindes können sehr variabel ausfallen. Durchschnittlich weist der Sonnenwind eine Geschwindigkeit von 400 km pro Sekunde auf, im Zuge von Sonneneruptionen können aber auch deutlich höhere Geschwindigkeiten auftreten.
Sonnenstürme
Gewaltige Eruptionen (Flares) auf der Sonne, die teilweise von Massenauswürfe von Partikeln (CME) begleitet werden, können auf der Erde zu Sonnenstürmen führen. Die ersten hochenergetischen Protonen (SEP) treffen die Erde bereits etwa 30 Minuten nach dem Flare. Die Schockwelle des stark erhöhten Sonnenwinds erreicht uns dann etwa 30 bis 72 Stunden nach dem Ausbruch, dabei wird das Magnetfeld der Erde stark verformt: Die Magnetosphäre wird auf der Tagseite der Erde zusammengedrückt, auf der Nachtseite verlängert sich der Schweif und das Erdmagnetfeld wird geschwächt. In Summe kann ein Sonnensturm ein bis zwei Tage andauern, wobei es in aktiven Phasen auch zu Überlappungen mit anderen Eruptionen kommen kann. Die Häufigkeit von Eruption bzw. die Sonnenaktivität hängt von der Anzahl an Sonnenflecken ab: In aktiven Phasen vom sog. Sonnenzyklus kann es hunderte CMEs geben, wobei nur ein Bruchteil davon direkt auf die Erde trifft.
Neben den Eruptionen können auch sog. „koronale Löcher“ zu Sonnenstürmen führen. Es handelt sich dabei um Gebiete auf der Sonnenoberfläche, welche nicht geschlossene Magnetfeldlinien aufweisen, weshalb Plasma mit hoher Geschwindigkeit ungehindert ins All strömen kann. Diese Regionen zeigen sich auf Satellitenaufnahmen als dunklere Bereiche der Korona.
Sonnenzyklus 25
Die Sonnenaktivität zeigt sich vor allem an der wechselnden Häufigkeit der Sonnenflecken sowie an ihrer Lage relativ zum Äquator der Sonne. Etwa alle 11 Jahre weist die Sonne ein Maximum an Sonnenflecken auf. Der aktuelle Sonnenzyklus hat im Dezember 2019 begonnen und ist der 25. seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1755. Im Dezember 2022 wurden erstmals wieder mehr als 100 Sonnenflecken in einem Monat gezählt, damit kommen wir nun immer mehr in die aktivste Phase des aktuellen Sonnenzyklus.
Der Höhepunkt wird Ende 2024 bzw. Anfang 2025 erwartet. Auch in den kommenden Tagen ist mit erhöhter Aktivität zu rechnen, so gab es erst am Freitag um 1 UTC einen X1.2-Flare von der Sonnenfleckenregion AR3182. Der Sonnenzyklus hat allerdings keinen Einfluss auf das Klima auf der Erde, da sich der Strahlungsfluss im dafür relevanten sichtbaren und nahen Infrarot kaum verändert. Weitere Infos dazu gibt es hier.
We got an X-class flare, after a while! 🔥 AR 13182 has produced an X1.2 flare—just above M-level, but still! This region has shown eruptive behaviour already from behind the limb. Let’s see whether it puts on a show over the next ~2 weeks as it crosses the Earth-facing disc 👀 pic.twitter.com/Il3ievRlJu
— Dr. Erika Palmerio (@erikapal) January 6, 2023
Die Sonnenaktivität hält sich aktuell zwar noch in Grenzen, in den kommenden Tagen rotiert die komplexe Sonnenfleckenregion AR3182 aber weiter auf die der Erde zugewandten Seite der Sonne. Der SWPC der NOAA prognostiziert aktuell immerhin eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent für einen weiteren X-Klassen-Flare. Mit der weiter zunehmenden Sonnenaktivität steigt die Wahrscheinlichkeit für Sonnenstürme in den kommenden Monaten tendenziell weiter an.
Geomagnetischer Sturm
Wenn ein Sonnensturm auf die Erde trifft und zur Störung der Magnetosphäre der Erde führt, spricht man von einem geomagnetischen Sturm. Die NOAA verwendet eine 5-stufige Skala, welche von G1 bis G5 reicht und auf dem sog. Kp-Index basiert. Es spielen zwar unterschiedliche Faktoren eine Rolle, generell nimmt die Chance für Polarlichter in Mitteleuropa ab einem G4-Sturm zu.
Ein weitere Klassifizierung basiert auf dem vergleichsweise zeitnah zur Verfügung stehenden disturbance storm time index (Dst-Index). Er liefert Information über die global gemittelte Abschwächung der horizontalen Komponente der Erdmagnetfelds nahe zum magnetischen Äquator aufgrund des verstärkten irdischen Ringstroms. Schwankungen zwischen -20 und +20 nT sind normal, ab einer Abschwächung unter -50 nT spricht man von einem geomagentischen Sturm.
Auswirkungen
Anbei eine Übersicht der möglichen Auswirkungen von Sonneneurptionen auf der Erde:
- Polarlichter: Die Aurora borealis bzw. auf der Südhalbkugel Aurora australis ist eine Leuchterscheinung in der oberen Atmosphäre (mehr dazu folgt unten).
- Funkübertragungen: Wenn hochenergetische Protonen die Luft bis in tief in die Atmosphäre ionisieren (SEP-Ereignisse), kommt es zu einer starken Dämpfung der Radiosignale im Mittel- und Kurzwellenbereich (Funkübertragungen werden erheblich gestört). Weiters kann es durch die SEPs auch zu Störungen im Flugverkehr kommen, wenn etwa die Flugsicherungsradars gestört werden.
- Satelliten: Neben den direkten Schäden durch Strominduktion sind auch indirekte Schäden möglich: Durch Veränderungen der oberen Erdatmosphäre kommt es zu einem erhöhten Luftwiderstand für Satelliten in niedrigen Orbits (Low Earth Orbit). Etwa kamen auf diese Weise am 4. Februar 2022 rund 40 Starlink-Satelliten einen Tag nach dem Start vom geplanten Orbit ab und verglühten anschließend in der Atmosphäre.
- Stromnetz: Bei einem schweren Sonnensturm kann es im Stromnetz zu geomagnetisch induziertem Strom und damit zu Schäden an Leistungstransformatoren kommen, was mitunter zu einem Blackout führen kann. Beispielsweise kam es infolge von schweren Sonnenstürmen am 13. März 1989 zu einem 9-stündigen Ausfall des Stromnetzes im Osten Kanadas bzw. am 29 Oktober 2003 in Schweden.
- Strahlung: Lebenwesen in Polargebieten (auch Flugzeuginsassen) sowie Astronauten auf der ISS können einer erhöhten kosmischen Strahlung ausgesetzt sein.
Polarlichter
Polarlichter treten in den hohen Breiten nahezu täglich auf, da sich das Erdmagnetfeld hier zur Erdoberfläche neigt. Partikelströme wie der Sonnenwind können an den magnetischen Polen weiter in die Atmosphäre vordringen, wo sie auf Atome und Moleküle treffen und diese ionisieren. Dadurch wird ihnen Energie zugeführt, die sie in Form von Licht wieder abgeben. Die häufigste Farbe der Aurora ist grün und wird durch Sauerstoff in etwa 120 bis 180 km Höhe hervorgerufen. Seltener sieht man rot (Sauerstoff in Höhen über etwa 200 km) oder blau bis violett (durch Stickstoff teils bis in Höhen zwischen 80 und 100 km).
Im hohen Norden von Alaska und Kanada, Russland und Skandinavien (z.B. Tromsø) treten Polarlichter beinahe jede Nacht auf (sofern der Sonnenstand tief genug ist und keine Wolken die Sicht verhindern). Bei starken Sonnenstürmen muss man in diesen Regionen oft südwärts blicken, um die Polarlichter zu sehen.
A KP 1 auroral substorm in Churchill from last September.
Often times if the data is weak, substorms will occur later in the night.
This is just from my experience.
This night, the substorm came around 2:30 am which is about 2 hours later than average for Churchill. pic.twitter.com/7s9u6zAxbR— Vincent Ledvina (@Vincent_Ledvina) January 5, 2023
Wetterstationen im All
Um den Sonnenwind zu messen, wurde 1997 der Advanced Composition Explorer (ACE) zum sog. L1-Punkt geschickt. Es handelt sich um ein Gebiet im Sonnenystem, der auch als „Liberationspunkt“ bezeichnet wird, da hier die Gravitationsfelder von Sonne und Erde gleich stark sind. Er befindet sich etwa 1,5 Millionen Kilometer stromaufwärts von der Erde und 148,5 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Der ACE-Satellit misst u.a. den vorbeikommenden Sonnenwind, seine Zusammensetzung und physikalischen Eigenschaften. Ein Sonnensturm trifft auf diesen Satelliten etwa eine Stunde bevor er auf die Erde trifft. Seit 2015 wurde ACE durch DSCOVR ergänzt.
Derzeit laufen die Vorbereitungen für einen weiteren Überwachungssatelliten am L5-Punkt (ESA Vigil), um einen seitlichen Blick auf Sonnenstürme zu ermöglichen. Dies ermöglicht eine viel genauere Überwachung der Ausrichtung und Geschwindigkeit von Sonneneruptionen. Geplant ist der Start der Mission für etwa Mitte der 2020er Jahre.
Die wichtigen Satelliten für das Weltraumwetter:
- SOHO (Solar and Heliospheric Observatory); seit 1995 am L1-Punkt
- ACE (Advanced Composition Explorer); seit 1997 am L1-Punkt
- SDO (Solar Dynamics Observatory); seit 2010 in einer geosynchronen Umlaufbahn in etwa 35.000 km Höhe.
- STEREO (Solar Terrestrial Relations Observatory); seit 2006, STEREO-A umkreist die Sonne in knapp 150 Mio km Entfernung; der Kontakt zu STEREO-B wurde im Jahre 2014 bzw. 2016 verloren.
- DSCOVR (Deep Space Climate Observatory); seit 2015 am L1-Punkt
Weiters gibt es noch einige andere Forschungssatelliten bzw. Raumsonden, die teils sehr nahe an der Sonne vorbeifliegen, wie etwa die Parker Solar Probe. Diese nähert sich alle paar Monate der Sonne bis auf ein paar Millionen Kilometer an und durchfliegt dabei die Korona (die äußere, extrem heiße Schicht der Sonnenatmosphäre).
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